Die Entwicklung der Realschule

1. Geschichtlicher Überblick

1.1 Die Idee der Realschule

1782 wurde Jakob Friedrich Klemm Dekan in Nürtingen. Im gleichen Jahr legte er einen Entwurf zur Errichtung einer Real- und Bürgerschule vor. Sie sollte drei Zwecken dienen:

– der Fortbildung von Lehrlingen,
– der Aufnahme der Schüler der oberen deutschen Schulklassen,
– der Ausbildung von Lehrern der deutschen Landschule.

In 24 Wochenstunden sollten folgende Fächer unterrichtet werden:

– Sprachen: Französisch und die Muttersprache
– Sachen (Wir würden heute Sachfächer sagen)
– Rechnen, Geometrie
– Zeichnen, Geometrie
– Erdbeschreibung und Naturgeschichte
– Geschichte
– Landwirtschaft, Botanik
– Religion

1873 wurde Klemms Plan realisiert. Die Stadt ernannte die Lehrer, das Spital trug die Kosten. Bald zeigte sich, daß die Lehrlinge und Volksschüler der neuen Schulart wenig Interesse entgegenbrachten, statt dessen aber mehr Lateinschüler und Lehramtsstudenten die neue Schulart frequentierten. Es sollte bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts dauern, bis die Mittel- oder Realschulen ihren wirklichen Aufschwung erlebten.

1874 entstand dann aus einer Verschmelzung der Real- und Lateinschule das Realgymnasium bzw. das Realprogymnasium, das heutige Max-Planck Gymnasium.

2. Die Entwicklung der Nürtinger – Realschule

2.1 Die Musterschule von 1840 bis 1860

Diese Musterschule, eine gehobene Volksschule für Mädchen (für die Jungen gab es die Real- und Lateinschule), wurde um 1840 als Übungsschule für die Lehrerseminaristen eingerichtet. Das erforderliche Schulgebäude wurde 1843/44 nach einem Plan des Bauinspektors Rupp errichtet (heutige Schloßbergschule). Der Nürtinger Chronist Christian Dinkel schreibt: “…die Kosten belaufen sich auf 28 000 Gulden.

So viel tut Nürtingen um seiner Kinder willen, und hat schon so viel getan. Wenn’s nur die Kinder auch bedächten, und einmal auch reichliche Früchte für Nürtingen und die Menschheit brächten!”

In dem neuen Schulhaus, das wohl das ansehnlichste Gebäude Nürtingens war erhielt die Musterschule drei schöne, geräumige Zimmer im 3. Stock.

2.2 Die Mittelschule ab 1868

Der Erlaß des Ministeriums vom 15. Februar 1866, daß mit jedem Lehrerseminar eine Übungsschule zu verbinden sei, in welcher die Seminarzöglinge sich im selbsttätigen Unterrichten zu üben hätten, lieferte den unmittelbaren Anlaß zur Gründung einer Mittelschule. Diese Übungsschule für Jungen löste die bisherige reine Mädchenschule ab. Bürgerausschuß und Stiftungsrat beschlossen am 6. April 1868, die Musterschule als Mittelschule fortbestehen zu lassen. Das bisherige Schulgeld von jährlich zwei Gulden wurde beibehalten. Das Lehrergehalt setzte sich zusammen aus 700 Gulden jährlich, einschließlich der Naturalbesoldung, einer Hauszinsentschädigung von 100 Gulden sowie einer Zuweisung von Brennholz. Vorzugsweise sollte der Lehrer auch Französischunterricht erteilen können und dafür zusätzlich 100 Gulden jährlich erhalten.

Die neue Mittelschule sollte sich gegenüber der Volksschule in folgenden Punkten unterscheiden:

– durch die Vermehrung der Unterrichtsfächer, besonders durch die Einführung des Faches Französisch
– durch die Ausdehnung der Schulzeit bis zum 16. Lebensjahr
– durch die Erhebung eines Schulgeldes
– durch die Höherqualifizierung der Lehrkräfte
– durch das Mitwirkungsrecht des Gemeinderats bei der Bestellung von Lehrkräften

Dieses Mitwirkungsrecht wurde der Stadt Nürtingen allerdings durch das Königlich – Evangelische Konsistorium im Jahr 1905 entzogen. In der Elementarklasse der neuen Mittelschule wurden folgende Fächer gelehrt: Religion, Lesen, Schönschreiben, Rechnen, Naturgeschichte, Gesang.In der Oberstufe waren die Fächer Biblische Geschichte, Memorieren, Lesen Schönschreiben, Rechtschreiben, Aufsatz Rechnen, Geographie, Geschichte, Singen, Französisch und Zeichnen vertreten. Die Mittelschule Nürtingen hatte von Anfang an ein großes Einzugsgebiet. Es kamen Schüler aus Großbettlingen, Nekkarhausen und Bonlanden.

2.3 Die Mittelschule ab 1929

1913 wurde bei einer Ortsschulratssitzung der Plan entwickelt, die Mittelschule in Zukunft zu einer Schule auszubauen, in der jede Klasse von einem eigenen Klassenlehrer geführt werden sollte. Dazu war jedoch ein Schulhausneubau erforderlich. Der 1. Weltkrieg und seine Folgen verhinderten zunächst den Bau, erst im Jahre 1929 konnte die neue Mörikeschule bezogen werden.Bei der Einweihung meinte der Vertreter der Schulbehörde: “Künftige Geschlechter werden diese Tat in solcher Zeit bewundern”. Diese Zeit war der Beginn der Weltwirtschaftskrise .

1922 war bereits ein 9. Pflichtschuljahr mit 480 Jahresstunden genehmigt worden. In den Folgejahren ging es dann um die Einführung des 10. Schuljahres und um den staatlich anerkannten Mittelschulabschluß, die sog. “Mittlere Reife”. Erst im 2. Weltkrieg war es dann soweit: Im Schuljahr 1941/42 erhält Nürtingen die sechsklassige, eigenständige Mittelschule. Im Schuljahr 1943/44 gab es eine weitere einschneidende Veränderung: auch Jungen wurden in die bisher als reine Mädchenschule geführte Schule aufgenommen. Es gab jetzt neben einer 1. Mädchenklasse auch eine 1.Jungenklasse.

ges Mittelschule low

Die Schülerzahlen stiegen in den 50er und 60er Jahren gewaltig an: 1950 besuchten 161 Jungen und 381 Mädchen die Mittelschule Nürtingen. 1968 hatten sich die Zahlen fast verdoppelt: Jetzt waren es 470 Jungen und 570 Mädchen, die die am 1. Dezember 1966 in “Realschule” umbenannte Schule besuchten.

Die Entwicklung der Mittelschule war von 1948 an von ständiger Raumnot begleitet. Es mußten Außenstellen im Feuerwehrhaus, im evangelischen Gemeindehaus, in der Stadthalle, in der alten Schloßbergschule, in der Schreibere, in der Ersbergschule und in einem vergitterten Raum über dem alten Gefängnis eingerichtet werden.

Die Notwendigkeit eines Schulhausneubaus wurde von der Stadtverwaltung schon in den 50er Jahren gesehen, konnte aber wegen anderer vordringlicher Aufgaben (Kläranlage, Neckarbrücke) erst später verwirklicht werden. Am 9. August 1960 fand mit Herrn OB Gonser die erste entscheidende Besprechung auf dem Rathaus statt, in der der großzügige Plan eines Schulhausneubaus auf den Mühlwiesen erörtert wurde. Ein Bauwettbewerb wurde ausgeschrieben, den das Architekturbüro Strohhäcker für sich entscheiden konnte.

Am 7. September 1969 war es dann soweit: die neue Schule konnte bezogen werden. Wegen ihrer hohen Schülerzahlen mußten zwei organisatorisch getrennte Schulen, die Neckarrealschule I und II genannt wurden, eingerichtet werden.

Gisela Trittler, Erika Bauer

2.4 Die Realschulen am Neckar

Die offizielle Einweihung erfolgte erst am 30.5.1970. Herr Walter Lehmann, seit 1968 Rektor der Realschule, übernahm die Neckar – Realschule I zusammen mit Herrn OE Heinrich Feiks als Konrektor, dem ab 1972 Herr Dietrich Lichtenstein im Amt folgte.

Rektor der Neckar – Realschule II wurde Herr Richard Weingart zusammen mit Herrn Walter Wahl als Konrektor. Herr Weingart ging 1977 in den Ruhestand, und Herr Kurt Weber wurde sein Nachfolger. Herr Wahl wurde 1985 durch Herrn Helmut Kling als Konrektor abgelöst.

Herr Heinz Eberle hatte schon den Bau der Schule mit überwacht und übernahm nun die Stelle des Hausmeisters unterstützt von Herrn Karl Föhl und später auch von Herrn Rudolf Bauknecht.

Es läßt sich nicht alles aufzählen, was in diesen 25 Jahren geschehen ist. Einige Ereignisse sollen dennoch erwähnt werden: Ein Naturereignis machte 1978 allen schwer zu schaffen: der Neckar trat über die Ufer und überschwemmte das Erdgeschoß des Schulhauses und die Turnhalle. Längst ist davon nichts mehr zu sehen, denn inzwischen hat die Schule umfangreiche

Umbau- und Renovierungsarbeiten in den Fach und Verwaltungsbereichen erlebt. Die Raumnot, sowie das Arbeiten in Außenstellen konnten allerdings nicht behoben werden. Auch auf dem pädagogischen Sektor gab es Veränderungen: 1971 war die Neckar – Realschule I eine der wenigen Schulen in Baden-Württemberg, in denen ein Schulversuch durchgeführt wurde. Die Schüler der Klassen 9 und 10 entschieden sich für Neigungsgruppen. Gearbeitet wurde in verschiedenen Zügen mit sprachlichem, mathematisch-naturwissenschaftlichem und musisch-technischem Schwerpunkt. Dieser Versuch lief bis 1982 und wurde dann durch die Einführung der Wahlpflichtbereiche ab Klasse 7 in allen Realschulen des Landes abgelöst.

Neben der rein schulischen Arbeit sind Austauschprogramme zu nennen, an denen die Schüler beider Schulen mitmachen: sie können in Klasse 8 nach Taff Ely in Wales reisen und, falls sie Französisch gewählt haben, in Klasse 9 mit den Schülern des Max – Planck – Gymnasiums zusammen am Austausch mit den Schülern des Lycèe Chabrière in Oullins bei Lyon teilnehmen.

Schulpartnerschaften mit Schulen in den neuen Bundesländern, z.B. mit einer Mittelschule in Dresden, wurden begonnen und mit Leben erfüllt. Wie sehr sich Schüler im außerschulischen Bereich einsetzen, beweisen Paket- und Spendenaktionen für notleidende Menschen im früheren Ostblock. Die 3.Welt soll jedoch auch nicht vergessen sein, und so veranstalteten beide Schulen zahlreiche Flohmärkte und Basare. Mit dem Erlös konnten Projekte in Brasilien und in Bènin/Afrika unterstützt werden, wobei auch die Eltern wertvolle Unterstützung leisteten.

Einige Jahre lang bestand auch eine Partnerschaft zwischen der Nürtinger Bodelschwingh – Schule und der Neckar – Realschule I. Behinderte und Nichtbehinderte Kinder machten zusammen Spiele und betätigten sich sportlich.1990 wurde Herr Rektor Lehmann nach über 40 Jahren im Dienste der Schule in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet, und Herr Rüdiger Illig wurde zu seinem Nachfolger ernannt.

Herr Eberle verabschiedete sich 1991 ebenfalls in den Ruhestand. Seine Nachfolge trat Herr Schindler an. 1993 ging ein langgehegter Wunsch in Erfüllung: beide Schulen erhielten einen eigenständigen Namen. Die Neckar – Realschule I blieb bei ihrem Namen, nur die Ziffer I wurde eingespart. Die Neckar – Realschule II heißt seither Geschwister – Scholl – Realschule.

Lehrerinnen und Lehrer der GSR

Wie in allen anderen Kollegien steigt leider auch bei uns das Durchschnittsalter von Jahr zu Jahr an. Es liegt z.B. bei 46 Jahren; nur noch wenige sind unter 40 Jahre alt. Wie ein gut gelagerter Wein, sind wir in Ruhe gereift und besser denn je. Die Kolleginnen und Kollegen sind ein gut eingespieltes Team aus vielen Spezialisten, die sich zum Wohle der Schülerinnen und Schüler einsetzen. Um die Überalterung der Lehrerschaft in Grenzen zu halten und steigende Klassengrößen zu vermeiden, ist die Einstellung von jungen Lehrerinnen und Lehrern dringend erforderlich.

Das Lehrerkollegium der GSR im Jubiläumsjahr 1994:

 V.l.n.r. K. Dieterich, E. Zimmerer, F.Röhner, H. Kemmler-Greipel, H. Hobl, K. Kordaß, R.Jeuter, S. Lernhart, A. Krämer, G. Manz, I.Fehrenbacher, D. Musick-Waldmann, H. Kling (Konrektor), L.Sihler, I. Carreis, S. Thoß, K. Weber (Realschulrektor), I. Eitel, G. Herold, E. Bauer, I. Bredin, W. Schmidt-Kirsten, G. Henzler, M. Schubert, R. Hils, A. Rauscher, I. Göltenboth, B. Fabritius, D. Lobert, A. Rieger, U. Bemsel. Nicht im Bild: H. Fischer-Romer, Fr. Griesmaier, Fr. Kaltenbach, Fr. Müller. Fr. Neudorfer, Fr. v. Ostrowski-Süßmuth, Fr. Rockel, H. Schweizer, Fr. Schweizer-Obermayer, H. Seiffert, H. Wieser, Fr. Ziegenbein

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